Friedrich August III. im Jahre 1914. (Quelle: Wikimedia.)
"Der Geenich" fährt Bimmelbahn
Friedrich August III., seit 15. Oktober 1904 König von Sachsen, weilte mehrmals im Jahr in Wermsdorf, wohnte im Alten Jagdschloss, das sein Onkel König Albert reaktiviert hatte, und frönte seiner Leidenschaft - der Jagd.
In der Regel benutzte er seinen Hofzug bis zum Bahnhof Dahlen und fuhr von dort mit der Kutsche, später auch mit seinem Automobil nach Wermsdorf.
Mindestens zweimal ist er jedoch mit unserer Schmalspurbahn angereist; so am 29. März 1905:
Anlässlich einer Reise von Dresden nach Dornreichenbach nutzte er die Gelegenheit, Land und Leute seines Sachsenlandes näher kennenzulernen und machte einen nicht unerheblichen Umweg:
Von Oschatz fuhr er nicht direkt weiter bis Dornreichenbach, sondern hier stieg er um auf unsere Schmalspurbahn.
In einer Tagesreise ging es dann über Mügeln, Wermsdorf und Mutzschen nach Nerchau-Trebsen, von dort auf der ehemaligen Muldenthalbahn nach Wurzen und dann weiter auf der Hauptbahn nach Dornreichenbach.
Die erste Seite des Programmes für den Königsbesuch, wie es den Anliegergemeinden im Vorfeld mitgeteilt wurde. Es entspricht im Wesentlichen dem Bericht im "Mügelner Anzeiger".
Über die Vorbereitungen zum Besuch des Königs berichtete der "Mügelner Anzeiger" am 25. März 1905:
Besuch seiner Königl. Majestät. Se. Majestät der König wird kommenden Mittwoch auf der Reise von Dresden nach Dornreichenbach zum Besuche des Generals v. Minkwitz unter Benutzung der Schmalspurbahn Oschatz – Mügeln – Nerchau–Trebsen unserer Stadt einen, wenn auch allerdings nur kurzen Besuch abstatten.
Der König wird an diesem Tage vormittags 9 Uhr in Oschatz eintreffen.
Von da aus erfolgt die Fahrt mittels Geschirrs nach dem Rathause.
Auf dem Wege nach dem Neumarkt bilden die Schulkinder, die Schüler der Realschule, die Zöglinge des Lehrerseminars, die Feuerwehr, die Militärvereine und sonstige Korporationen Spalier.
Im Rathause werden sich die städtischen Kollegien und Beamten, sowie die Spitzen der Behörden versammeln.
Nach der dort erfolgten Begrüßung wird Se. Majestät der König die Kirche besuchen und danach auf dem Neumarkte das inzwischen dort aufgestellte Ulanenregiment besichtigen.
Hieran wird sich ein Besuch der berühmten Stammschäferei des Talgutes und des Krankenhauses schließen.
Zum Schluss erfolgt eine Inaugenscheinnahme der Fabrik von Ambrosius Marthaus.
Die Anwesenheit in Oschatz wird sich auf zirka 2 Stunden erstrecken.
Um 11 Uhr findet die Abfahrt nach Mügeln mittels Sonderzuges statt.
Während dieser Zeit ist die Oschatzer Bahnhofsstraße gesperrt.
Der Zug wird die kleineren Stationen in gemäßigtem Tempo durchfahren, damit es den daselbst aufgestellten Behörden, Schulen usw. ermöglicht wird, Se. Majestät zu sehen und zu begrüßen.
In Mügeln selbst wird der königliche Sonderzug gegen ½ 12 Uhr eintreffen.
Es ist nun geplant worden, Se. Majestät dem König eine Huldigung seitens unserer Stadt darzubringen.
Dieselbe kann sich bei der Kürze der Zeit des Aufenthaltes (8-10 Minuten) allerdings nur im engsten Rahmen halten.
Eine von Herrn Bürgermeister Börngen einberufene gutbesuchte Versammlung hat am Dienstagabend beschlossen, das diesbezügliche Programm in großen Zügen folgendermaßen festzustellen:
Schmückung der Umgebung des Bahnhofes und der vom Hofzuge zu durchfahrenden Strecke im Stadtgebiete.
Empfang auf dem Bahnhofe und kurze Ansprache an Se. Majestät durch Herrn Bürgermeister Börngen.
Beteiligen sollen sich an der Huldigung sämtliche staatlichen Behörden, der Militärverein, die Schützengesellschaft, die Feuerwehr, der Turnverein, etwaige sonstige Korporationen, eventuell Festjungfrauen und die Schulen.
Selbstverständlich sollen auch weite Kreise unserer Bürgerschaft in großer Zahl vertreten sein.
Unter anderem wird ein Schulmädchen unter Vortrag eines kurzen Gedichtes ein Büfett überreichen.
(Soweit uns bekannt, soll der Schulunterricht an diesem Mittwoch ausfallen.)
In betreffender Sitzung wurde ein Dekorations- und Ordnungsausschuss gewählt.
Der Hofzug bei seinem Aufenthalt in Mügeln.
Von Mügeln kommend, trifft der Hofzug gegen 12 Uhr in Wermsdorf ein.
Se. Majestät der König wird sich vom Bahnhof aus mittels Geschirrs durch die Grimma – Oschatzer Straße nach der Königlichen Landesanstalt begeben.
Der Aufenthalt daselbst ist bis 1 Uhr berechnet.
Hierauf erfolgt eine Begrüßung Sr. Majestät im Königlichen Jagdschlosse.
Die Abfahrt wird gegen 2 Uhr stattfinden.
Kurzen Aufenthalt wird der Zug noch in Mutzschen und Nerchau–Trebsen nehmen, wo der König die Begrüßung dieser drei Städte entgegennimmt.
In Wurzen trifft der König gegen 3 Uhr Nachmittag ein.
Daselbst großer Empfang am Bahnhof.
Unter dem Geläute der Glocken wird sich Se. Maj. Mit Gefolge im Wagen durch die Bahnhofstraße nach dem Rathause begeben, woselbst feierlich Begrüßung durch die städtische Kollegien und die geladenen Ehrengäste stattfindet.
Im Anschlusse hieran werden die Biskuitbäckerei der Wurzener Kunstmühlenwerke und Biskuitfabriken, sowie das Klinkhardt'sche Etablissement besichtigt werden.
Nach einem Besuche bei Sr Exzellenz Herrn Grafen von Könneritz wird Sr. Maj. etwa ½ 6 Uhr vom Bahnhof Wurzen aus nach Dornreichenbach weiterfahren.
Daselbst findet Diner statt und wird der König einige Stunden später die Rückreise nach Dresden antreten.
Mügelner Tageblatt und Anzeiger, 25. März 1905.
Der schmalspurige "Hofzug" war nichts Besonderes - eine IK als Zuglok, ein zweiachsiger Packwagen und zwei vierachsige Oberlichtwagen - Fahrzeuge, wie sie damals auf unserer Schmalspurbahn alltäglich waren.
Dabei ist jedoch eines bemerkenswert:
Im offiziellen Programm ist aufgeführt: 11 - 12.20 Uhr: Fahrt mit Sonderzug von Oschatz nach Wermsdorf.
Berücksichtigt man die Pause in Mügeln, die zum Wassernehmen unbedingt nötig war, und die Tatsache, dass die Unterwegsstationen "durchbummelt" werden sollten, so war es für die kleine IK ein durchaus straffer Fahrplan.
Von Zigarrenrauchern und Mügelner Unterkleidern
Von diesem Besuch Friedrich Augusts, der als sehr volksnah galt, haben sich besonders zwei Episoden in der Überlieferung erhalten, die hier kurz erwähnt werden sollen.
Wie im Programm vorgesehen, war auf dem Mügelner Bahnhof auch die Schützengesellschaft zur Begrüßung des Königs angetreten.
Einer der Schützen hatte sich zur Feier das Tages ein paar "extra gute" Zigarren gekauft.
Als sich nun die Ankunft des Sonderzuges hinzog, kam Ungeduld unter den Wartenden auf, und besagter Schütze steckte sich eine seiner teuren Zigarren an.
Doch dann ging auf einmal alles schnell, der Zug dampfte heran, und in seiner Not steckte unser Raucher seine Zigarre in den Lauf seines Gewehres, denn zum Wegwerfen war sie wirklich zu schade!
Nachdem der König begrüßt worden war, schritt er die Front der angetretenen Ehrenformationen ab und meinte lakonisch:
"Komisch, aus een Gewehr roochts, aber ich hab' gar keen Schuss gehört!"
Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite; er bestieg wieder den Zug und rief den Anwesenden zu:
"Adieu, meine lieben Mügelner!"
Unsere Schmalspurbahn führt nach Passage des Schlosses Ruhetal am Mügelner "Anger" vorbei nach Altmügeln.
Hier befand sich seinerzeit der Bleichanger, und obwohl im Programm nichts dergleichen erwähnt war, baumelte auf einer Wäscheleine eine lange Reihe frisch gewaschener und zum Trocknen aufgehängter Wäsche.
Als nun der Sonderzug vorbeifuhr, blies auch noch der Wind schön kräftig "zu Ehren Se. Majestät".
Natürlich wäre nichts besonderes dabei gewesen, hätte da nicht als Blickfang eine lange Reihe knielanger Damen-Unterkleider gehangen, jener guten Stücke, die die holde Weiblichkeit in Ermangelung anderer Dessous damals zu tragen pflegte.
Nun, der Wind blies mit Hingabe, so dass sich besagte Stücke schön aufblähten, was wiederum Augusts Kennerblick nicht entging.
Entzückt rief er aus:
"Müssen aber die Mügelner Frauen dicke Ärsche haben!"
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